Dushan-Wegner

18.07.2021

Nach den Wassern

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten, Foto von Elena Rabkina
Die Flut zieht sich zurück, und sie hinterlässt Zerstörung. Unsere Aufmerksamkeit wird sich anderen Angelegenheiten zuwenden, doch für die Menschen heißt es nun, erstmal die Trümmer wegzuschaffen, und dann ganz neu zu beginnen.
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Wie lange dauerte die Sintflut in der Bibel? Ich höre Sie also, liebe Leser, sagen: Nun, die Zahl 40 ist der Tradition jener Zeit und Gegend die Zahl der Prüfung, aber auch der Initiation für einen nächsten Lebensabschnitt. Also wird die Sintflut vermutlich so viele Tage dauern, wie Moses auf dem Berg Sinai ausharrte (2. Mose 24:18) oder wie Jesus fastete (Matthäus 4:2) – oder so viele Tage, wie die Zahl der Jahre, die das Volk der Hebräer durch die Wüste wanderte (4. Mose 14:34): Die Sintflute dauert vierzig Tage – doch Noah & Co. waren deutlich länger im Holzkasten eingeschlossen!

Nach vierzig Tagen war zwar die Sintflut vorbei (1. Mose 8:6) und die Arche setzte auf dem Berg Ararat auf (der übrigens auf dem Gebiet der heutigen Türkei liegt; es ist ein Vulkan, der 1840 zuletzt ausgebrochen ist). Das war am »siebzehnten Tag des siebten Monats« (1. Mose 8:4). Bis sich aber das Wasser zurückgezogen hatte und die Erde trocken war, sollten weitere Monate vergehen, in denen Mensch und Tier in der Arche ausharrten (1. Mose 8:14), insgesamt verbrachte Noah über ein Jahr in seinem schwimmenden Zoo!

Wir lernen: Wenn das Wasser aufhört mehr zu werden, ist die Flut noch lange nicht vorbei. Erst muss das Wasser überhaupt abziehen. Dann muss die Erde so trocken sein, dass man wieder sicher den Fuß darauf setzen kann. Und dann muss aufgeräumt und neu gebaut werden.

Flut kommt, Flut geht…

Die Flut, die einige der schönsten Winkel Deutschlands heimsuchte, sie zieht sich zurück. Das Wasser tötete mehr als 150 Menschen. Wir sehen die Bilder vom Unrat in den Straßen (etwa welt.de, 18.7.2021welt.de, 17.7.2021(€)).

Wir fürchten die Flut, doch die ganze Zerstörung sehen wir erst, wenn sie wieder fort ist. Die Flut kommt, die Flut geht, die Verwüstung bleibt – und die Menschen fangen neu an.

Mancher fragt sich, ob er überhaupt wieder am selben Ort neu anfängt. Das ökonomische Klima war etwa in der Eifel schon vor diesem Hochwasser und vor der Corona-Panik nicht nur frühlingshaft.

Die Flut kam. Mit der Flut kamen die Kameras, also die großen Kameras, welche die Bilder schießen, die dann in die Wohnzimmer der Republik gepumpt werden. (Wobei der Staatsfunk sich wieder extra viel Zeit ließ. Wartete man auf Anweisung von oben, war die Flut nicht »nazi« genug, oder wird man einfach träge und satt, wenn man sein Einkommen mit Zwang und Drohung einziehen kann?)

Mit den Kameras kam dann auch die Meute kamerageiler Politiker. Die Flut ging. Die Kameras werden sich anderen Dingen zuwenden. Die Zerstörung aber bleibt. Es gilt, neu anzufangen – und der Neuanfang wird weit länger dauern als die Flut. (Übrigens sagt genau dies auch der SPD-ler Steinmeier in jenem berühmten Video, das eher durch Armin Laschets erfrischende Fröhlichkeit bekannt wurde; siehe etwa @josefheynckes, 17.7.2021.)

Nicht die einzige Welle

Im Mai 2018 schrieb ich den Essay »Die Welle wird zurückrollen«, und darin: »Die Welle wird zurückrollen. Die eine Frage ist, wie lange die Welle an diesem Scheitelpunkt bleiben kann. Die andere Frage ist, was sie zurücklassen wird.«

Ich wählte damals das Bild der Welle als Metapher für die Folgen deutscher Politik. Jetzt erleben wir reales Wasser, das uns Angst einjagt, das Leben kostet. Die ganze Verwüstung aber wird erst sichtbar, wenn die »Welle« wieder zurückgerollt ist. Es ist leider eine echte Katastrophe und eine real spürbare Metapher zugleich. Es ist nicht die einzige Welle, die heute zurückrollt.

Ich habe das Gefühl – oder ist es eine frühe Hoffnung? – das trotz aller von Panik-Lauterbach lustvoll verkündeten Infektions-Wellen auch die große Welle »Corona-Panik« zurückrollt. (Wissen Sie, wovon wir auf dem Video mit Steinmeier und Lach-Laschet sehr wenig sehen? Corona-Panik-Masken! Wo ist es hin, das Coronatheater? Es bleibt fürwahr ein magisches Virus, welches just in dem Moment seine gefährliche Kraft zu verlieren scheint, wenn gerade ein anderes politisches Anliegen ansteht.)

Buchstäblich un-verschämt

Die Corona-Panik rollt zurück, so wirkt es. Auch die »Impfwelle« rollt zurück, von »Impfmüdigkeit« ist die Rede (welt.de, 18.7.2021). Zurück bleibt die Ungewissheit, was diese Umprogrammierung der Zellen mit dem Menschen anrichten wird. Und es bleiben die Gewinne für die betreffenden Firmen mit den erstaunlich guten Kontakten.

Es erklingt die eiskalte Frage, ob die einzelnen Impfstoffe denn überhaupt alle etwas bringen. Laut einer Studie in Großbritannien waren 47 Prozent der Infizierten mindestens einmal geimpft (bild.de, 16.7.2021). Betrachtet man die Zahlen aus dem Impf-Vorreiter Israel, fragt man sich, ob wirklich jede Impfung besser wirkt als die natürliche Immunabwehr (sciencefiles.org, 16.7.2021).

Auch die »Grüne Welle« wurde dank Annalena Fakebock gründlich zurückgerollt. In Thüringen wird weiter und konsequent die Demokratie zurückgerollt (tagesspiegel.de, 17.7.2021 – man sagt offen und buchstäblich un-verschämt eine geplante Wahl ab, weil man sich ausrechnet, dass »die Falschen« gewinnen könnten). Die einzige »Welle«, die weiter Kraft hat, ja wohl wieder an Kraft gewinnt, die aber laut politischer Korrektheit nicht »Welle« genannt werden soll, ist die »Flüchtlingswelle« (welt.de, 18.7.2021: »Deutschland bleibt bei Asylanträgen an der Spitze«).

Was werden sie zurücklassen?

Diese Zeiten sind instabil – wer wollte es leugnen? (Das wäre dann wohl ein »Instabilitätsleugner«! Wir könnten uns ja die linke Taktik aneignen – ironisch, versteht sich – einen jeden, der unserer Deutung und Absicht widerspricht, der infamen Leugnung zu zeihen.)

Was Politik und Propaganda uns als moralische Notwendigkeit verkaufen, wirkt mehr wie die Gischt auf einer Welle, die zurückrollen wird. Die Trümmer, die in den überschwemmten Gebieten in den Straßen liegen, sie sind uns allen eine Mahnung.

Der biblische Bericht von der Sintflut mit Noah und der Arche ist bekanntlich bei weitem nicht der einzige aus sehr frühen Zeiten! Wir finden Berichte von einer großen, (fast) alles vernichtenden Flut in vielen Kulturen (der biblische Bericht ähnelt auffällig dem Atraḫasis-Epos, welches früher entstand, für mehr Infos siehe Wikipedia). Die Erzählungen haben gemeinsam, dass nach der Zerstörung ein Wiederaufbau beginnen muss (in der Bibel wird zudem der Regenbogen als Zeichen eingesetzt, dass nie wieder eine weltweite Sintflut kommen soll, also ein Zeichen der Hoffnung und Zuversicht). Noah steigt aus seiner Arche – und macht sich an die Arbeit.

Es macht mich froh, zu sehen, dass Einzeln und Unternehmen konkret helfen und anpacken. Wenn es wieder aufgebaut werden soll, wird es wieder aufgebaut werden. Es wird mehr als vierzig Tage dauern. Wir hoffen, dass es nicht vierzig Jahre werden.

Es könnte für uns sich später als gute Idee erweisen, uns heute schon auf das Zurückrollen anderer Wellen vorzubereiten. Was werden die Wasser zurücklassen, was wird neu aufzubauen sein?

Oder so: Die Hoffnung, an die ich glaube, ist die Hoffnung aus dem Handeln. Bedenkt, was kommen wird, doch handelt heute!

Weiterschreiben, Wegner!

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