Dushan-Wegner

05.02.2023

Auch in China feiern sie Partys

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Was ist Zufriedenheit?
Diktatur ist schlimm, doch mit Animation und Party geht es, siehe China (oder Cluburlaub). Tag für Tag verlieren auch wir Freiheit, doch die Leute scheinen happy: Wir werden keine Freiheit besitzen, und dennoch glücklich sein. (Und wehe, wenn nicht!)
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Es gibt Partys in China. Und mit »Party« meine ich nicht jene englische Bedeutung von »Party«, die auch »(politische) Partei« heißen kann. (Politische Parteien gibt es tatsächlich auch in China, doch sie sind der »Einheitspartei« untergeordnet. Zyniker sagen: In China ist es offiziell so, wie es in Deutschland inoffiziell ist, nur dass es in Deutschland (noch) die AfD gibt; in China ist Opposition nicht nur verpönt, sondern ehrlicherweise ganz verboten.)

Aber Partys, also die mit berauschender Musik und ebensolchen Getränken, die gibt es auch in China! (Auf YouTube finden sich genug Videos mit Titeln wie »FIRST NIGHT IN CHINA! 🇨🇳 GUANGZHOU NIGHTLIFE 💃🏻💃🏻 Digital«.)

In China werden die Menschen überwacht. In China ist Twitter verboten. Die chinesische Hirnzerstörungs-App »TikTok« gibt es dort nicht – oder nicht wie bei uns – die soll nur westliche Kinder blöd machen. (Pablo Escobar gab seinen Kindern ja auch kein Kokain zum Frühstück, nehme ich an.)

Und trotz alldem gibt es Partys in China!

Sicher, man hört, dass einige West-Besucher bezahlt werden, um ein »westliches« Flair zu verbreiten. Und andere Quellen berichten, dass eine neue Geisteshaltung namens »Bai lan« es aufgegeben hat, am brutalen Konkurrenzkampf des chinesischen Staatskapitalismus teilzunehmen (theguardian.com, 25.5.2022). »Bai lan« bedeutet wörtlich: »Lass es verrotten!«

Doch nur weil man seine Lebenspläne »verrotten« lässt, heißt das nicht, dass man nicht Partys feiern könnte – im Gegenteil!

Wir dürfen davon ausgehen, dass in China erlaubte Veranstaltungen auch von der Kommunistischen Partei Chinas gewollt werden.

Partyballons

Kluge Kommunisten wissen: Wenn du die Menschen zu Gefangenen machen willst, ohne dass sie täglich neu einen Ausbruch versuchen, musst du sie auch jene Hormone produzieren lassen, deren Rezeption gemeinhin als »Freude« interpretiert wird (und in Verbindung mit gewissen sozialen Konstellationen sogar als »Glück«).

Das chinesische Modell der äußeren und nicht weniger inneren Gefangenschaft erlebt man immer wieder im Gespräch mit Chinesen im Westen, die überraschend oft im Gespräch die Regierung Chinas verteidigen? Aus Angst, etwa um die Verwandten in China, oder vor chinesischen Agenten im Westen? Aus Überzeugung? Wahrscheinlich etwas von beidem, in individuell unterschiedlicher Gewichtung.

Dieser Tage haben wir aus den USA und dann aus Südamerika die kuriose Story der chinesischen Ballons gelesen. Amerikanische Bürger hatten Fotos und Videos in den sozialen Medien gepostet (etwa @MartinInMontana, 2.2.2023).

China hatte riesige Ballons mit Elektronik an Bord steigen lassen, und diese flogen auf den amerikanischen Kontinent (siehe etwa bild.de, 5.2.2023).

Mittlerweile haben die USA den ersten China-Ballon abgeschossen. China beschwert sich, das sei doch nur ein ziviler Ballon gewesen, der sich etwas verflogen hatte. Noch ist aber nicht geklärt, ob der mit Elektronik bestückte Ballon einem Labor entstammt oder doch halb-rohen Fledermäusen.

Die Ballons waren riesig und leicht sichtbar. Wenn es tatsächlich ein Spionage-Ballon war, dann wirkt es wie eine Erinnerung Chinas an die Welt – und an seine Bürger im Ausland: »Wir beobachten euch. Wir bauen nicht nur eure Smartphones und Internetrouter, wir manipulieren nicht nur die Kinder des Westens – wir beobachten alles. Diese Ballons waren mehr so ein lustiges Symbol zwischendurch.«

Warum aber nehmen die Chinesen eine solch totale – und globale – Überwachung hin?

Weil es in China Partys gibt!

»Brot und Spiele«, so wussten schon die Römer, halten das Volk ruhig – vor allem aber die Spiele! Wenn das Brot relativ teuer ist, dann sind die Leute damit beschäftigt, das Geld dafür zu verdienen, und damit zu müde, als dass sie rebellieren würden. (Doch lass das Brot auch nicht zu teuer werden, denn manche Revolte entzündete sich am Preis des Brotes!)

Wofür geopfert?

Die USA haben also einen der China-Ballons abgeschossen. Doch das ist nicht die einzige Reaktion. Die USA »reagieren« in Sachen globale Überwachung seit einiger Zeit schon proaktiv. Dank Herrn Snowden wissen wir es.

Der global im Digitalen agierende US-Geheimdienst NSA stellt aktuell Tausende Computer-Spezialisten ein (washingtontimes.com, 3.2.2023). Und woher nimmt man diese? Aus der Masse der von Google, Facebook (Meta) und anderen Tech-Firmen in diesen Wochen entlassenen Programmierer (siehe dazu auch Essay vom 3.2.2023).

Die Tech-Konzerne entlassen teils als Reaktion auf aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen, teils aber auch, weil sie sich neu und stärker auf Künstliche Intelligenz ausrichten.

Sicher setzt auch die NSA auf Künstliche Intelligenz, doch da sie über praktisch unendliche Ressourcen verfügt, so steht zu vermuten, kann sie die Neuangestellten in Ruhe umschulen. (Oder wird man sie erstmal als teure Billigkräfte zur Dateneingabe nutzen?)

(Nebenbei: Wie sinnlos muss sich Edward Snowden heute fühlen? Hat er seine Freiheit geopfert für die Freiheit einer Welt, die gar nicht frei sein will?)

Dahingehend bearbeitet

Natürlich überwachen und kontrollieren nicht nur »chinesische Partner« und »amerikanische Freunde« ihre Bürger (und wohl auch die Welt). Auch Brüssel wetteifert um den großen 1984-Preis, und ich verweise für jetzt nur auf das Stichwort »Chatkontrolle«, das ich in den Essays vom 30.5.2022 und vom 3.2.2023 notierte.

Wir kennen ja die verschiedenen Kafka-Geschichten, in denen sich Menschen plötzlich in einer grundsätzlich veränderten Lebenssituation wiederfinden, sei es zum Käfer verwandelt, eines unbekannten Verbrechens angeklagt oder im Kampf mit der undurchsichtigen Schloss-Bürokratie.

Die Welt ähnelt zunehmend einer Kafka-Geschichte, doch in einem Punkt unterscheidet sich die Realität deutlich von Kafka-Szenarien (und vielen anderen Dystopien): Erstens geschieht es nicht in einer Nacht, sondern über Jahrzehnte in vielen Schritten. Und zweitens wurden und werden die meisten Menschen dahingehend »bearbeitet«, dass sie nicht daran leiden, dass ihnen die Freiheit genommen wird.

Man darf erweitern

Ob Menschen sich frei fühlen, das hängt davon ab, ob sie mit ihren den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zufrieden sind. (Zur »Freiheit« siehe weiterhin meinen Essay »Was meinen Sie, wenn Sie ›Freiheit‹ sagen?« vom 1.11.2017.)

Die Propaganda wird dafür sorgen, dass ausreichend viele Menschen sich in den neuen Unmöglichkeiten wohlfühlen. Der Mensch wird umprogrammiert werden (siehe Essay: »Programmiere dich – oder werde programmiert«)

Du wirst nichts besitzen, aber glücklich sein, so orakelt es beim WEF. Man darf es erweitern: nicht einmal deine Freiheit.

Aber stimmt es, dass wir glücklich sein werden?

Nun, man wird versuchen, deine Zufriedenheit mit den dir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten herzustellen. Durch Umerziehung und Moralisierung.

Man hat festgestellt, dass du dich mit schleichender Armut abfindest, ja, dass du dich sogar selbst beschuldigst, nicht fleißig und nicht ideenreich genug gewesen zu sein. Den Profiteuren die Schuld zu geben, das ist Verschwörungstheorie, das lässt du also schön sein. Auch dass du zuletzt so viel Pech hattest, das hat niemals nie nicht etwas mit denen zu tun, deren Doktorarbeiten gefälscht und deren Qualifikationen unklar, und die doch immerzu das Hauptlos zu ziehen scheinen.

Ähnlich wird man dir einreden, dass mit dir etwas nicht stimmt, wenn du dich unfrei fühlen solltest. Man wird dir sagen, dass dein Gefühl der Unfreiheit falsch sei, im doppelten Sinne von falsch: moralisch falsch und faktisch falsch.

Das haben alte Religionen mit dem modernen Propagandastaat gemeinsam: Man redet dir falsche, sündige Gefühle ein. In einem Punkt gehen Propagandastaaten wie Deutschland über Religionen hinaus: Während Religionen das Sichtbare mit unsichtbarer Bedeutung aufladen (Natur-Phänomene als Geister), erklärt der Propagandastaat die Phänomene, die du selbst sehen kannst – auf dem Marktplatz deiner Stadt etwa – für nicht vorhanden und unsichtbar, und wenn du sie doch sehen zu meinen solltest, leidest du wohl an einer psychischen Erkrankung, einer »Phobie«.

Party im Betonbunker

In China finden Partys statt, und auch bei uns wird wieder gefeiert. Bei aller »Ermächtigung«, die sie gewannen, bereuen die ersten Politiker auch öffentlich zentrale Maßnahmen der Corona-Panik. Vermutlicher wahrer Grund: Ohne Party fangen die Menschen zu denken an, und das kann doch keiner wollen!

Man wird um dich ein Gefängnis bauen, aus Ideologie und falscher Moral, finanziert von deinen Steuern, doch man wird dir aber auch Partys anbieten, Frohsinn aus der staatlichen Spaßfabrik. Das hat man aus der Corona-Panik gelernt, sogar in China: Menschen, die daheim sitzen, so ganz ohne Party, die entwickeln Gefühle gefährlicher Unzufriedenheit.

Sperr die Menschen in geschlossene Betonbunker, und sie werden es ein »Gefängnis« nennen, selbst wenn du ihnen dreimal täglich Essen gibst. Doch mach dazu etwas Party, mit Alkohol und Animation, und sie nennen es »Cluburlaub« und zahlen die Ersparnisse eines Jahres dafür.

Wieder zur alten Welt

Dein Brot wirst du weiter im Schweiße deines Angesichts erarbeiten, wobei dieses bald wieder Maden enthalten wird – ganz legal. Und sowohl Brot als auch Heizung werden teurer werden, denn das hält dich beschäftigt und demütig.

Soll man also nicht feiern, wenn sich eine gute Party bietet? Doch, natürlich soll man mitfeiern! Der Mensch im digitalen Gefängnis ist noch immer ein Mensch, er braucht die Gemeinschaft, das Schulter-an-Schulter, den heilenden Rausch.

Die absehbare Zukunft erinnert mich an die Berichte meiner Eltern und Großeltern aus dem Kommunismus: Natürlich erfreute man sich daran, was die Diktatur an Freuden anbot, ob Konzerte oder Volksfeste. Es war ja nicht alles schlecht.

Und wenn diese schöne neue Welt wieder zur alten Welt wird, jetzt neu mit digitalen Schutzwällen und Spionageballons, dann wird es auch darin gewiss wieder Schönes geben, den einen oder anderen neuen Anlass zur Freude.

Denn: Sogar in Chinas feiern sie Partys!

Weiterschreiben, Wegner!

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