Eine Partei, deren Politiker schon mal den Nationalsozialismus verharmlosen, zu Gewalt gegen Andersdenkende aufrufen und dann wieder etwas zu eng mit Putin tanzen, eine Partei, die ganz ganz offen in totalitären und demokratisch fragwürdigen Mustern denkt, die nur unbefriedigend zwischen Business und Politik trennt, die, wenn es ihr notwendig erscheint, eine »Politik ohne Skrupel« (und wenig Respekt vor Menschenrecht) betreibt, eine Partei, deren Leute immer wieder mit Nähe zum Antisemitismus auffallen, dass so eine Partei im Bundestag sitzt, das ist wahrlich widerlich, und doch haben 20,5% der Wähler 2017 die SPD gewählt, und damit sitzt die SPD eben im Bundestag.
Dass die SPD im Bundestag ist, das kann man gut finden (wenn man daran verdient) oder man kann es schlecht finden (wenn das Demokratengewissen in einem noch nicht ganz erloschen ist), man kann und sollte aber nicht die Tatsache leugnen, dass dem so ist.
Sicher, ich hätte mir gewünscht, dass die SPD jemand anderen als den nicht eben ruhmreich aus der Edathy-Affäre hervorgegangen Thomas Oppermann für das Amt des Bundestags-Vizepräsidenten aufgestellt hätte – aber gut, die vollständig neutralen Wikipedia-Autoren wissen über ihn zu berichten: »Oppermann ist passionierter Fußballspieler und Wanderer. Außerdem ist er begeisterter Leser«, und wer »begeisterter Leser« ist, der kann kein schlechter Mensch sein, selbst wenn er auf ganz rätselhaft schweigende Weise beim Bundeskriminalamt anruft (was wir ihm natürlich alle genau so glauben) und dazu noch einer sehr umstrittenen Partei angehört.
Laut Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages steht jeder Fraktion ein Vizepräsident zu, also auch einer Schattenpflanze wie der SPD.
So oft wie technisch möglich
Seit die AfD im Bundestag sitzt, versucht die AfD das ihr zustehende Amt eines Bundestags-Vizepräsidenten zu besetzen – ebenso lange wird es ihr verwehrt (siehe auch: »Ist Höcke allein (noch) ein Grund, die AfD nicht zu wählen?«).
Die AfD will nun so oft wie technisch möglich einen Kandidaten aufstellen und über diesen abstimmen lassen. Die Fronten sind fürs Erste verhärtet. Die AfD wird einen Kandidaten aufstellen, die Lupenreinen werden gegen sie oder ihn stimmen.
In dieser Woche war im ersten Wahlgang der AfD-Abgeordnete Gerold Otten dran. 210 stimmten für ihn, 393 stimmten gegen ihn, 31 enthielten sich – er wird es wohl noch zweimal versuchen, dann ist der nächste Kandidat dran (siehe welt.de, 11.4.2019).
Was denken die?
Politiker, die Zensurgesetze einführen, die allzu freundlich zu Putin oder iranischen Mullahs sind, Politiker, die den US-Präsidenten beschimpfen und als Partei ungeniert Anteile an Medienunternehmen halten, von diesen Leuten ist kein plötzlich erwachtes demokratisches Gewissen zu erwarten, doch man fragt sich schon: Was meinen die, dass passieren wird?
Erwarten die Lupenreinen wirklich, dass die AfD an diesem Punkt aufgibt? Was denken die, dass passieren wird? – Ich darf die rhetorische Frage gleich beantworten: Gerade eben erst habe ich selbst festgestellt, dass die generelle Abwesenheit eines nachvollziehbaren Plans das Markenzeichen »moralisch guter« Politik ist (siehe auch: »Deutschland, was ist der Plan?!«).
Bei jeder Gelegenheit
Es ist wohl strategisch richtig, dass die AfD nun bei jeder Gelegenheit einen Kandidaten aufstellen und über diesen abstimmen lassen will (siehe welt.de, 4.4.2019).
Die AfD biete sich als Alternative dann, und dass sie anders ist, das werden auch und gerade ihre Feinde nicht bestreiten. Es liegt am Wähler, zu bewerten, ob die AfD eine bessere Alternative ist. Nur eines lässt sich nicht glaubwürdig tun: Man kann nicht einen SPD-Politiker zum Parlamentsvize wählen, und dann einen AfD-Politiker aus angeblich »moralischen« Gründen ablehnen.
Indem die AfD nun regelmäßig einen Kandidaten aufstellt, zieht sie wichtige Linien nach – und die Mehrheit der übrigen Parteien hilft ihr dabei.
Wir dürfen sagen, was wir zur demokratischen Horrorvorstellung bei der Abstimmung über den Migrationspakt sagten: Es herrscht Klarheit, wenigstens das.