Dushan-Wegner

27.02.2024

Butter bei die Fische

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten, Bild: Fisch, verwirrt in Butter
Nicht wenige Deutsche reden davon, dass »etwas getan werden« müsse. Man will, wenn schon nicht Deutschland, dann doch wenigstens »das Deutsche« retten. Doch wie? Höchste Zeit, »Butter bei die Fische« zu tun!
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Woher stammt die Redeweise »Butter bei die Fische«? Nun, soweit ich weiß, weiß man es nicht – nicht sicher.

Wir wissen, was die Redeweise bedeutet, denn Bedeutung wird durch den tatsächlich Gebrauch festgelegt, nicht durch die Herkunft. »Tu mal Butter bei die Fische« ist die Aufforderung, zum Wesentlichen zu kommen, mit nichts hinterm Berg zu halten.

Doch woher kommt es?

Eine plausible These zur Herkunft der Redeweise wäre, dass die Zubereitung eines Fischgerichts erst durch Zugabe von Butter vollständig wird.

Wenn ich jemanden auffordere, »Butter bei die Fische« zu tun, fordere ich ihn auf, die vollständige Wahrheit zu sagen.

Ich habe mal die fragwürdige Erklärung gehört, dass früher auf dem Markt die Fische angeblich samt der Bratbutter verkauft wurden. Die Aufforderung, »Butter bei die Fische« zu tun, wäre also die Forderung, den ganzen Preis genannt zu bekommen, Fisch mit Butter.

Ach, mit Phantasie ließe sich manch extra tief klingende Deutung aufsetzen! Etwa diese: Butter als kostbares Fett und Energiequelle ist Symbol für die menschliche Seele, während Fische als belebte, aber – so weit wir wissen – unbeseelte Natur gelten. »Butter bei die Fische« zu tun würde demnach bedeuten, einer natürlichen Angelegenheit etwas Seele einzuhauchen, also in diesem Sinne wahrhaftig zu werden.

Ich will euch aber mein privates lebenslanges Missverständnis der gebutterten Fische mitteilen!

Ich meinte immer – und ich beschließe, es weiter für wahr zu halten, weil es sich wahr anfühlt –, dass der Vorgang des Fischbratens mit dem Zugeben von Butter beginnt. Die Aufforderung, »Butter bei die Fische« zu tun, hörte und meinte ich immer als Aufforderung, endlich zu beginnen.

Alles hehre Worte

Ich habe in meinen Essays immer wieder dazu aufgerufen, unsere Kultur und Werte in uns aufzunehmen (etwa im Essay »Deutschland ohne (das) Deutsche« vom 18.10.2023). Dass Deutschland aktiv kaputtgemacht wird, ist wahrlich keine Verschwörungstheorie mehr. Doch das muss nicht bedeuten, dass mit Deutschland auch das Deutsche verschwindet. All die Kultur, die Philosophie, all das Wertvolle.

Wir sollten durch unsere eigene Kulturgeschichte gehen, wie einer, der weiß, dass er am nächsten Tag erblinden wird, durch die Straßen, Parks und Museen geht und so viel in seinen Geist aufnimmt, wie er irgend aufnehmen kann. Unsere Klassiker sollten wir lesen (noch mal oder erstmalig). Unsere Musik hören. Unsere, ja, Philosophie doch noch zu begreifen versuchen. Und natürlich einander unsere Gedichte vortragen.

Alles hehre Worte, edle Empfehlungen, ich weiß.

Doch wisst ihr, was ich zu wenig getan habe?

Butter bei die Fische!

Und also beschloss ich dieser Tage – in meinem Sinne der Deutung als »die eigentliche Arbeit beginnen« – in Sachen deutsche Gedichte »Butter bei die Fische zu tun«.

Ihr habt es vielleicht im Kontext der Essays »Würde ich dennoch einen Birnbaum pflanzen« oder »Was dachte sich der Hexenmeister?« mitbekommen: Ich trage jetzt Gedichte vor. Persönlich, ungeschnitten und mit dem Gesicht im Bild. (Probiert es mal selbst, und ihr werdet merken, wie verletzlich und nackt man sich dabei fühlt. Doch ich meine, dass wer sich beim Vortragen eines Gedichts nicht verletzlich und nackt fühlt, nicht ehrlich genug ist.)

Nun, Freunde, der Worte sind genug gewechselt, ich lasse euch hier ein paar deutsche Taten – pardon: Gedichte – sehen (und hören), auf YouTube.

Und dann noch ein Gedicht, das zwar im Original auf Englisch ist, doch es scheint mir eines der wirkmächtigsten Gedichte auch im deutschen Raum zu sein, und also habe ich es vor einigen Jahren ins Deutsche übersetzt und nun aufgenommen.

Ich bin ehrlich gespannt auf eure Rückmeldungen, jeweils als Kommentar unter den Gedicht-Videos!

(Ein offenes Wort: Vergesst bitte nicht, dass das Vortragen und Video-Produzieren von Gedichten wahrlich nicht weniger aufwändig ist als politische Analysen, und also Geld braucht. Wenn ihr mehr Gedichte von mir hören wollt, »helft nach«.)

Auf dass diese

Ja, Gedichte fordern ist einfach. Ich habe jetzt aber begonnen, sie vorzutragen. Auf dass sie euch Freude bereiten. Auf dass wir uns an sie erinnern, vielleicht die aus alter Schulzeit bekannten Verse noch einmal selbst aufzusagen lernen. Auf dass diese unsterblichen Gedanken nicht eben doch sterben.

Ich will uns ermutigen, in Sachen deutsche Kultur mal wieder – und ab da immer wieder – »Butter bei die Fische« zu tun!

Ihr sagt, ihr würdet gern »das Deutsche« bewahren, und der Verlust »des Deutschen« tut euch im Herzen weh?

Tut »Butter bei die Fische«! Bedenkt, dass »das Deutsche« zu einem ganz wesentlichen Teil aus unseren Gedichten, Geschichten und Grimmmärchen besteht (was tut man nicht alles für eine Alliteration). Jammert nicht bloß, wie schlimm doch alles sei – schaltet am Abend die Glotze aus, geht zum Bücherregal oder werft den Kindle an, und lest euch und einander den guten Herrn von Goethe vor, den Rilke, den Fontane, aber auch den Kafka (Prag, ich weiß) und den Musil (Österreich, klar).

Tut »Butter bei die Fische«, indem ihr den alten Buchstaben neue, magische »Butter«, äh: Seele einhaucht!

Tut »Butter bei die Fische« – redet nicht bloß davon! Erst wenn der Fisch in der Butter brutzelt, hat das Braten begonnen. Erst wenn und dadurch, dass die deutschen Gedichte euch über Zunge und Seele rollen, lebt das, was uns doch schön und wichtig war, noch immer weiter.

Weiterschreiben, Wegner!

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