Dushan-Wegner

01.04.2024

Clan-Krieg, Disziplinarrecht und andere Stockwerke

von Dushan Wegner, Lesezeit 3 Minuten
Clans führen tödlichen Krieg. Ein Paar wird ins Krankenhaus geprügelt. Regierung demontiert die Demokratie – die Nachrichten klingen jeden Tag ähnlich, nur Datum und manchmal Städtenamen sind neu.
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Habt ihr von dem Clan-Krieg in Stade gehört? Von dem verprügelten Ehepaar in Berlin? Und von der jüngsten Attacke auf die Demokratie aus dem Innenministerium? Wir kommen gleich dazu, doch zunächst etwas Kontext!

Es war einmal, im fernen Jahr 2018, ein Lied: das Lied der Innenhöfe. 2020 dann dazu eine neue Strophe.

Unser »Innenhof« ist sowohl Metapher als auch gern eine ganz reale architektonische Gegebenheit: ein Ort, an dem du geschützt und sicher du selbst sein kannst. Unser Innenhof steht ja für einen »safe space« – allerdings in privater Verantwortung, und nicht als aggressive Inbeschlagnahme öffentlicher Orte (wie etwa Universitäten) zwecks Gleichschaltung und Verhinderung von Debatten.

Ich habe über die Jahre Hunderte Metaphern für euch konstruiert, doch keine davon habt ihr so oft zitiert wie den »Innenhof«. Ja, mancher von euch sagte, er gestalte sein Leben aktiv mit dieser Metapher vom »Innenhof« im Hinterkopf.

Ein Innenhof aber, ob in Gedanken begehbar oder mit Füßen, braucht ein entsprechendes Haus drumherum. In letzter Zeit aber kam uns immer öfter ein bestimmtes Gedicht in den Sinn, und zwar der »Herbsttag« von Rainer Maria Rilke und darin die Zeilen (siehe etwa die Essays vom 7.9.2019 oder vom 21.11.2023): »Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben.«

Zunächst wächst seine Panik

Ich merke an mir – und an euch, die mir darin folgen –, dass es mich täglich dazu drängt, eine bestimmte andere Metapher auf die aktuellen Ereignisse anzuwenden. Diese hat ebenfalls mit Gebäuden und unserem Verhältnis zu einem solchen zu tun, allerdings von außen.

Es ist die Metapher vom Mann, der aus einem Fenster im zehnten Stock fällt (siehe Essay vom 26.1.2024). Zunächst wächst seine Panik mit jedem Stockwerk, das er bei seinem Sturz passiert. Dann gewöhnt er sich an dieses Vorbeifallen, seine Panik verschwindet – und es wird ihm sogar langweilig.

In den letzten Wochen fühle ich mich immer wieder veranlasst, diese Metapher als Werkzeug für die Jetztzeit anzuwenden (zuletzt etwa im Essay »Es ist nicht das Fallen«) – womit wir bei einer Auswahl der aktuellen Nachrichten wären.

Wusch, wusch, wusch!

Aus Stade wird gemeldet: »Streit zwischen Miris und Al-Zeins eskaliert? – Clan-Mitglied nach Unfall erstochen« (bild.de, 31.1.2024). Wusch! Ein weiteres Stockwerk, das an uns vorbeirauscht.

Aus Berlin wird gemeldet: »Brutale Attacke in Berlin: Trio prügelt Ehepaar krankenhausreif« (bild.de, 30.3.2024). Wusch! Und noch ein Stockwerk.

Und das deutsche Innenministerium verstärkt ein weiteres Mal den Verdacht, dass das Innenministerium und der ihm unterstellte Verfassungsschutz eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie in Deutschland sind. Sogenannte Verfassungsfeinde sollen mit dem neuen Disziplinarrecht schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden können (@BMI_Bund, 30.3.2024).

Da in der verrohten deutschen Debatte Begriffe wie »Verfassungsfeind« heute auf Andersdenkende und politische Gegner angewendet werden, wird in Deutschland nun auch offiziell und »rechtlich abgesichert« die politische Säuberung und de facto Gleichschaltung vorbereitet. Und: Wusch! Ein weiterer Tag, ein weiteres Stockwerk, das auf dem Weg nach unten an uns vorbeirauscht.

Windböen und Balkone

Ich suche nach einer neuen Metapher dafür, was einer tun soll, der aus dem metaphorischen 10. Stockwerk fiel und nun an den Stockwerken vorbeirauscht.

Sollen wir hoffen, dass der Gehweg magischerweise zu einem weichen Wattekissen wird? Sollen wir hoffen, dass wir uns darin irrten, aus welchem Stockwerk wir gefallen sind, sodass uns noch viel mehr Zeit vorm Aufschlag bleibt, als wir dachten?

Ich will heute eine neue Metapher versuchen: Lasst uns auf eine Kombination von Windböen und Balkonen hoffen! Will sagen: Jeder Einzelne steht in der Verantwortung, darauf zu achten, welche wirtschaftliche »Windböe« (sprich: Chance, Möglichkeit oder lokale Gelegenheit) ihn zu einem der »Balkone« an Nachbargebäuden tragen kann.

Oder kürzer: Rettet, was uns gemeinsam und wertvoll ist, indem ihr euch rettet – und lasst uns in Kontakt bleiben zur Frage, was wir trotz aller unterschiedlichen »Windböen« und »Balkone« gemeinsam bewahren wollen.

Weitermachen, Wegner!

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