Dushan-Wegner

24.12.2020

Heilig Abend 2020

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Foto von David-Olivier Gascon
Weihnachten ist doch ein Anknüpfen an Jahrtausende von Tradition, etwas Bleibendes in einer zerkrümelnden Welt. Es liegt an uns, festzuhalten an dem, was wir bewahren wollen – »die da oben« werden es nicht für uns tun!
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Ich schreibe diesen Text am Morgen des Heiligen Abends 2020. Es ist sechs Uhr früh, die Familie schläft, und sie schläft noch hoffentlich lange, denn wenn keine Schule ist, sollte sie doch ausschlafen dürfen!

Exakt wie ich vorhergesagt hatte (»Ostern alles zumachen, Ramadan wieder öffnen, und Weihnachten dann wieder zumachen«, Essay vom 13.4.2020), fällt zumindest das öffentliche Weihnachten in Deutschland in vielen Städten praktisch aus.

Wer sich nach einem traditionellen deutschen und hell erleuchteten Weihnachtsmarkt mit Weihnachtsliedern und Glühwein sehnt, der wird etwa in vielen Städten Chinas fündig (etwa Shanghai, siehe youtube.com/watch?v=Hgc89TlUClg), und das ist keine »Paulaner-Geschichte«, auch wenn die Asiaten gern bei Paulaner München einkehren. Nach unseren Jobs und unserem Geld zieht auch unser öffentliches, gemeinsames Weihnachten nach China – wir sind derweil damit beschäftigt, Schachfiguren zu verhaften, wegen Corona (auch das kein Scherz: stuttgarter-zeitung.de, 23.12.2020).

Klingen mir wie kluge Leute

Jedoch, dieses Weihnachten ist nicht nur von Glühwein-Verboten geprägt. (Sind eigentlich auf Berliner Plätzen bereits illegale Glühwein-Dealer aufgetaucht? – »Hey, psst, willst’n Schluck heißen Glühwein aus der Thermosflasche kaufen?«)

Noch prägender sind vielleicht die Verbote allzu großer Zusammenkünfte – ach, noch ehe es ap­pli­ka­bel
wird, fühlt es sich müßig an, darüber zu diskutieren. Ein brisantes Lebensgefühl droht, sich von Deutschlands Brennpunkten und Toleranzhochburgen aus in die mülltrennenden Vorstädte auszubreiten, und dieses Lebensgefühl singt die Hymne: »Es ist nicht verboten, wenn du dich nicht erwischen lässt.«

Und doch, weder die Kontaktverbote noch die Glühweinverbote, nicht einmal Fragen um die anstehenden Impfungen sind die wirklich großen »Weihnachtsfragen 2020« – ganz andere Fragen werden uns sehr bald auf ganz andere Weise beschäftigen: Was ist unsere Arbeit und unser Eigentum wert, wenn das Merkel-System unser Land in absurder Höhe verschuldet? Was wird und kann unser Erspartes wert sein, wenn die Euro-Geldmenge explodiert?

Die »Jungkommunistin« Merkel verschuldet unsere Kinder und Kindeskinder, ohne Chance auf Rückzahlung, während sie die Wirtschaft abdreht (siehe auch »Verschuldung und Herrschaft«). Die vorbestrafte Lagarde druckt Geld, als wollte sie mit Geldscheinen löchrige Deiche stopfen, während die Flut steigt und steigt und steigt (zur Illustration: @Schuldensuehner, 22.12.2020). Die Deutschen fürchten sich heute laut einer Umfrage vor der Geldentwertung noch ärger als vor Einbrüchen (so welt.de, 23.12.2020), und ich weiß nicht, welche Deutschen genau dafür befragt wurden, doch die Befragten klingen mir wie kluge Leute.

Auf uns könnten noch ganz andere Weihnachtsthemen niederschneien als »nur« Kontaktverbote und Piekser mit oder ohne Nebenwirkungen. Es wird grundsätzlich werden, gründlich grundsätzlich – geradezu metaphysisch.

Pflöcke um ein Stück Land

Es hat ja auch etwas Kitzelndes, etwas Schillerndes und »innerlich Provokantes«, einmal darüber zu sinnieren, wie viele jener Grundsteine und Fundamente, auf die wir unsere Gewissheit und unser Leben bauten, wenig mehr als arbiträre Konvention, dauernde vorläufige Übereinkunft und wenig greifbare Erfindung unseres privaten wie kollektiven Geistes sind.

Es wurde gesagt, die Idee der Gesellschaft sei geboren worden, als zum ersten Mal jemand Pflöcke um ein Stück Land in die Erde schlug, dieses Land zu seinem Eigentum erklärte, und ein anderer es so hinnahm und danach handelte. Es klingt sarkastisch, vielleicht gar kommunistisch, doch es ist nicht gänzlich falsch: Eigentum ist eine künstliche Idee, und es ist eine Idee, die Grundlage sowohl einer Zahl unschöner Verbrechen als auch vieler der höchsten Leistungen der Menschheit war. Genauso ist das Geld eine Idee und eine Übereinkunft (und auch der Wert von Gold ist ein gemeinsam ausgedachter, eigentlich »nur« in Gefühl und Tradition begründet).

2020 war auch das Jahr, in welchem wir in den USA der Idee der Demokratie beim Verwehen zusahen, und in Deutschland zwar erschrocken, aber wenig überrascht erlebten, wie einfach die Grundrechte aufgehoben werden können, wie leicht dieses Fundament unserer Freiheit abgeräumt werden kann.

Indisch Blau in Scherben

Anfang und Ausgangspunkt meines Schreibens vor nun über eineinhalb Jahrzehnten war eine simpel zu erklärende Erkenntnis: Ich stellte fest, dass mir regelmäßig zu Beginn von Streitgesprächen klar war, wie die Debatte enden würde – ein Bauchgefühl, das vielleicht auch manch anderer kennt – doch ich fragte mich, was die wissenschaftlichst-mögliche Theorie wäre, mein »zuverlässig erfolgreiches Bauchgefühl« nachzubilden.

Ich stellte fest, dass wenn man sich schlicht die »relevanten Strukturen« der einzelnen Debattenteilnehmer vor Augen führt, dazu wie stark die Relevanz jeweils empfunden wird, und auch wer wahrscheinlich die übrigen Debattenteilnehmer von seiner Relevanz überzeugt, man erschreckend genau vorhersagen kann, wie bei allem »freiem Willen« und bei aller »individuellen Vernunft« die Debatte ausgehen wird.

Eine (auch für mich damals) erschreckende Konsequenz meines »Relevante Strukturen«-Ansatzes ist die Erkenntnis, dass eben jenes Fundament von Werten und Moral, auf das wir unsere Gesellschaft zu bauen meinen, wenig mehr als die zu einem bestimmten Zeitpunkt mit Charisma und anderen Mitteln durchgesetzte Relevanz ist.

Die Ordnung der Dinge ist eben das, eine Ordnung, und wo geht die Ordnung des Porzellans hin, wenn der Ball des Kindes oder der Fuß des sprichwörtlichen Elefanten dazwischengeraten? (Die theoretische Physik mag postulieren, dass Information nie verloren geht, doch wer will schon zu schwarzen Löchern in den Tiefen des Weltalls reisen, wenn und weil das Indisch Blau in Scherben liegt?)

Eigentum, Demokratie, Weihnachten, Werte – es sind alles menschliche Konstrukte – und sie zu bewahren ist Arbeit, und wenn wir mit dieser Arbeit nachlassen (mancher nennt sie eine heilige Arbeit), oder sie gar aktiv angreifen, dann werden sie sich eben ins Nichts auflösen.

In Texten wie »Ein Land wird ausgewrungen« (21.11.2019) oder »Der Hund der Menschheit« (17.8.2020) zitierte ich eine meiner Lebensregeln: »Ich wäre lieber eine Meile weit vom Ziel weg, und wüsste es, als nur einen Fuß entfernt, jedoch irrtümlich wähnend, ich wäre schon dort.«

Ich halte es in der Sache der Werte (in beiden Bedeutungen des Wortes »Werte«) nach eben diesem Prinzip: Ich verzichte auf die Illusion, unsere Werte seien ein absolutes Gegebenes – wir haben uns diese Werte selbst gegeben, wir erklären mal dies und mal jenes zur »relevanten Struktur« (und all die Politiker, Pharisäer, Presseleute, Propagandisten oder Pischöfe, die uns von oben herab unsere Werte und unsere Relevanz vorgeben wollen, diese Personen sind doch oft genug genau diejenigen, die selbst am dreistesten gegen diese angeblich absoluten Werte verstoßen).

Was wir für unser Fundament hielten, schmilzt plötzlich dahin, wie die Eisscholle, wenn ein Vulkan das Meer brodeln lässt.

Lediglich die Illusionen

Vor zwei Jahrzehnten sagte ich: »Wähle selbst deine relevanten Strukturen«, und mancher antwortete mir, das sei ihm zu unsicher, Werte seien doch nicht derart beliebig, die müssten doch »ewig« und »gegeben« sein!

Nun, die Werte, in allen Bedeutungen des Wortes »Wert«, zerbröseln und zerschmelzen vor unseren Augen.

Es ist eine furchtbar große Verantwortung, es ist auf eigene Weise schrecklich, doch ich finde, es liegt mehr als nur ein Schimmer von Fröhlichkeit darin, die realistische Möglichkeit von Glück: Die Werte, die du dir selbst gibst, sind die einzigen Werte, derer du dir wirklich sicher sein kannst – doch dafür musst du sie dir auch geben!

Es war schon immer so, dass deine relevanten Strukturen in Wahrheit dein einziges seelisches Fundament waren – in diesen Tagen brechen lediglich die Illusionen weg, dass es anders sein könnte. In einer Zeit, in der Gewissheiten wie alte Spinnweben zerreißen und fortwehen, sind einige wenige neue Gewissheiten entstanden, und darunter diese: Niemand darf deinem Gewissen eine höhere Autorität sein als du selbst.

Es ist Heilig Abend (wir Wegners werden uns von italienischem Essen inspirieren lassen, das kann sich »luxuriös« anfühlen und doch einfach genug sein, um zu diesen schwierigen Zeiten zu passen).

Wir kommen zu Heilig Abend zusammen, weil es uns wichtig ist. Wir ziehen die Kreise nach, die uns wichtig sind. Wir werden uns neu dessen bewusst, was die Werte sind, die wir als die unseren gewählt haben. Mit kleinen Geschenken betonen wir uns und einander, welche Menschen uns wichtig sind.

Nichts ist sicher, nichts ist fest, außer jenes Fundament, das wir uns selbst legen – und das Fundament, das unsere Mütter und Väter für uns gelegt haben, wenn wir es denn annehmen, selbstredend unter sorgfältiger Prüfung und im Bewusstsein der damit eingegangenen Verpflichtung.

Die Zeit dieses Morgens ist wieder einmal fortgeschritten. Elli kommt zurück von ihrem Heilig-Abend-Morgenlauf. Der Sohn baut Lego, wie es sich um diese Jahreszeit gehört (genau genommen flucht er fröhlich über irgendein Problem mit Mindstorms). Die Tochter betreibt andere gewiss sehr kluge Dinge. Ich bringe diese Zeilen zu ihrem Ende, auf dass ich sie Ihnen, liebe Leser, vorlege.

Ich wünsche allen Menschen auf diesem durchs kalte Weltall trudelnden Planeten wirklich frohe Festtage und eine Zeit der echten Gemeinsamkeit, an der wir wachsen und genesen können. (Außer natürlich jenen schiefen Gestalten, die den lügenden Grabscher Biden einen gewählten US-Präsidenten nennen – denen wünsche ich, dass ihnen endlich ein Gewissen wächst, das sie quält wie ein Pickel an der Fußsohle.)

Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben ein schönes Fest und ruhige Festtage! Es bricht vieles weg, was wir letztes Jahr eben noch für sicher hielten, ich weiß. Doch nein, wir stehen nicht mit leeren Händen vor Trümmern da! Wir sind Maurer neuer Häuser, mit den Backsteinen des Neuen in der einen Hand und der Mörtelkelle in der anderen. Ich wünsche uns Kraft und Klarheit!

Es liegt an uns, und nur an uns, unser Fundament und das Fundament unserer Kinder zu legen.

Es lag schon immer an uns.

Weiterschreiben, Wegner!

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