Dushan-Wegner

22.02.2021

Provisorische Wahrheit

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten, Foto von Joel Holland
Ein Wortkünstler ohne medizinische Qualifikation, der für das Innenministerium in Sachen Corona-Strategie arbeitet. Ein Skandal? Nein, neue Realität im Propagandastaat Deutschland.
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2019, im Essay »Wenn die Guten via Baseballschläger argumentieren«, verwendete ich das von mir erfundene Wort »Propagandarepublik« (gar nicht erst annehmend, dass ich der erste wäre, der es »erfand«). Im November 2020 dann, im Essay »1,1 Milliarden Euro – willkommen im Propagandastaat« schlug ich dieselbe Pauke nochmal schwungvoller (seitdem einige Male wieder).

Selbstverständlich war das schmerzhafte Kompositum »Propagandastaat« eine Polemik und eine Zuspitzung, und als solche als Mahnung gedacht – also als Beschreibung eines Noch-Abzuwendenden, und sei es im Nachhinein.

Ach, diesen Don Quixote lockt die Mancha zurück. Die dummen Windmühlen wollen sich einfach nicht geschlagen geben! – Wo wir aber gerade von erstaunlich erfolgreichen Irren mit treu ergebenen Helfern reden, da läge es natürlich nahe, an die Politik zu denken, doch so ein frecher Übergang läge mir fern!

Nun also, zur Politik: Eine gar erstaunliche Randnotiz lesen wir bezüglich der Berater, welche die Regierung der »Jungkommunistin« für sich so zum Schüren der Corona-Panik arbeiten lässt/lies.

Ein Herr Otto Kölbl, so berichtet die welt.de, 21.2.2021 (€), seines Zeichens ein Germanist (also gewissermaßen ein Mann des wirkenden Wortes), hat das Innenministerium wohl in Sachen Covid-19-Strategie beraten.

Warum bedient man sich der Dienste jenes Herrn?

Wer als braver Bürger nach rationalen Erklärungen fürs irrationale Handeln der Mächtigen sucht, dem bleibt zuweilen wenig mehr als der Verweis auf eine okkulte, uns verschlossene Weisheit (»die werden schon wissen, was sie tun«).

Außer seiner Unqualifikation und der rätselhaften Zuneigung gewisser Mächte für ihn ist an diesem Germanisten ein weiteres Detail spannend: Laut welt.de, 21.1.2021 schien er auffällig freundliche Worte für diktatorische Entwicklungen mit der Welt teilen zu wollen (also »Welt« im Sinne der allgemeinen Lebensrealität, nicht mit der ihn aktuell zitierenden Zeitung (soweit eben, wie jener bekannte, china-, diktaturen- und konzernfreundliche Kurznachrichtendienst mit »Realität« gleichzusetzen sei)):

[…] Dann schickte Mao die Intellektuellen Kloputzen, und das Land entwickelte sich, während es vorher der „Kranke Mann Asiens“ war.« (Otto Kölbl, 18.2.2021; zitiert nach welt.de, 21.1.2021) 

Oder auch, recht sachlich:

Die grössten Fortschritte hat China unter Mao und dann unter den autoritären Präsidenten Hu Jintao und Xi Jinping gemacht. […] (Otto Kölbl, 18.2.2021, zitiert nach welt.de, 21.1.2021)

Nun mag man sich empören darüber, dass ein Berater einer sich demokratisch nennenden Regierung sich bemüßigt fühlt, so viel Positives übers Diktatorische zu verkünden, doch die in solcher Empörung implizierte Prämisse, dass das durch böse Mittel erzielte Gute nicht gut zu nennen sei, die ist keinesfalls unumstritten. (Ein Erwachsener sollte auch in der Lage sein, ein Ergebnis gut zu nennen, während er die Methoden und damit die Wiederholung dieses Ergebnisses ablehnt – und er ist eingeladen, aus diesem Dilemma heraus die eigenen Methoden zu hinterfragen! Im Essay »Die Sonne geht auf (oder auch nicht)« notierte ich im März 2020 die robusten Überwachungsmethoden, mit denen etwa Taiwan gegen das Virus vorgeht – und zwar erfolgreich.)

Nein, nicht die positiven Worte über gute Erfolge böser Methoden sind der Skandal dieser Angelegenheit – ach, es ist ja gar nicht wirklich ein Skandal. Ein »Skandal« beinhaltet ja ein überraschendes Element, eine nicht (so) dagewesene Grenzüberschreitung, einen Tabubruch – hier ist nichts davon gegeben.

Ein Berater der Regierung bei der Kommunikation zu den Corona-Maßnahmen ist ein Österreicher, der wissenschaftlich wenig von der Sache weiß, doch gut mit Worten ist und wohl helfen soll, derart die Masse in angstgetriebenen Gehorsam zu treiben.

Die »worst case«-Szenarien im einst vertraulichen Strategiepapier der Regierung, das dann doch in Berlin kursierte, jene Passagen also, die offenbar dabei halfen, dem Merkel-Regime einen Teil der moralischen »Grundlage zur Ermächtigung« zu geben, es stammt, wie es ohnehin schien, gar nicht von Medizinern oder virusrelevanten Wissenschaftlern. Man findet das Strategiepapier online bei abgeordnetenwatch.de, aber inzwischen auch, wie eine Flucht nach vorn, bei bmi.bund.de. Man wolle, so heißt es darin, eine »gewünschte Schockwirkung« erzielen, indem man beschreibt, wie Menschen »qualvoll um Luft ringend zu Hause« sterben.

Es ist kein Skandal, nein – es ist die neue Realität im Propagandastaat. 

Unter »Propagandastaat« verstehe ich einen Staat, in welchem die Debatte und das Bewusstsein der Bürger von Botschaften und Deutungsmustern bestimmt ist, die zentral von oben vorgegeben sind. Der Alltag des Bürgers im Propagandastaat ist von einer umfassenden Einbettung in Propaganda-Botschaften geprägt (und ich verstehe das Wort »Propaganda« so wie es auch der zuletzt stramm links wirkende Duden festhält: »systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o. ä. Ideen und Meinungen mit dem Ziel, das allgemeine Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen«, via duden.de).

Die zwei Grundfragen der Philosophie sind: »Was ist?«, und: »Was soll ich tun?« (Der Rest der Philosophie (inklusive der Frage, ob die Realität überhaupt real ist oder eine einzige große Täuschung) ist das elaborierte Scheitern an diesen beiden Fragen (mein Verdacht ist ja, dass sich die zweite Frage aus der ersten beantworten würde, so irgendwer auf jene eine bissfeste Antwort fände).)

In diesem philosophischen Geist also: Die Frage ist nicht mehr, ob (die Deutschen die Bürger eines Propagandastaates sind). Die Frage ist, was der einzelne Bürger tun soll!

Die erste Pflicht des Unternehmers ist es, sein Unternehmen liquide zu halten – die erste Pflicht des Bürgers ist es aber, seinen Geist vorm Irrewerden zu bewahren (wenn der Bürger pleite geht, hilft noch und hoffentlich das Sozialamt – wenn er aber verrückt geht, hilft niemand, dann ist er und alles verloren (eine alternative Meinung wäre, dass es ihm dann doch (wieder) gut geht – ich habe Zweifel).

»Prüfe alles, glaube wenig, denke selbst«, so haben einige von uns es sich aufs Banner geschrieben (beziehungsweise auf Brust und Bauch).

Wir müssen heute davon ausgehen, dass alles, was die Regierung sagt, nicht eine objektivst-mögliche Darstellung der Faktenlage ist, sondern blanke Propaganda, gefärbt zum Erreichen eines bestimmten Zweckes.

Nichts ist nur deshalb wahr, weil Regierung oder Staatsfunk es gesagt haben, und wenn es die Handlungen und die Macht der Regierungen stützt, dann ist das Gesagte sogar extra verdächtig.

Wir lernen, mit der Unsicherheit zu leben. Der Begriff der Wahrheit sollte mental immer durch »provisorisch« ergänzt werden. Alle Wahrheit ist provisorisch – und für einige der heutigen Wahrheiten ist provisorisch ein sehr freundlicher, geradezu euphemistischer Begriff.

Manche sagen, es war schon immer so. Manche sagen, die Klugen und Weisen haben schon immer jede Wahrheit nur als Näherungswert betrachtet, bestenfalls als Variante der eigentlichen Wahrheit.

Nun, so lehrt uns diese Zeit der fragwürdigen Wahrheiten immerhin etwas Weisheit.

Man sagt ja, dass harte Zeiten starke Männer machen, starke Männer dann sanfte Zeiten, sanfte Zeiten wiederum wachsweiche Männer und wachsweiche Männer wiederum zu harten Zeiten führen.

Meine Hoffnung ist, dass dumme Zeiten kluge Bürger machen, denn wenn es stimmt, werden wir bald die Allerklügsten sein!

Weiterschreiben, Wegner!

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