Dushan-Wegner

06.09.2023

Rief Frau Faeser »Ultimo!«?

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Bild: »Was dachte sich der Wal?«
Der Faeser-Skandal ist nicht nur ein Politik-Skandal. Es ist ein Deutschland-Skandal. Was wäre das für ein Land, wo ein TV-Agitator eine Ministerin anheizen könnte, den Geheimdienst einzusetzen, um einen missliebigen Beamten zu mobben?
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Höre auf nichts, was dir irgendwer an diesem Punkt erzählen will, denn es ist unwahrscheinlich, dass man dir etwas Hilfreiches sagt. – Diesen Ratschlag gibt uns das Großwerk »Per Anhalter durch die Galaxis« (1. Buch, Kapitel 9)

Ich habe den H2G2 mehrfach gelesen (»H2G2« ist die Insider-Abkürzung für »Hitchhiker’s Guide to the Galaxy«). Und umso erfreuter bin ich, dass nun auch mein Sohn in Begleitung von Arthur, Ford und Zaphod die Nächte viel zu lange in den Morgen zieht.

Der »Anhalter« war allerdings nicht Leos erste literarische Liebe. Jahrelang ließ er sich allabendlich die Satiren von Ephraim Kishon vorlesen. Die Geschichte »Jüdisches Poker« konnte er praktisch auswendig mitsprechen – und korrigierte lautstark, wenn ich ein Detail vernuschelt hatte.

Geschichten, die dem Menschen gefallen, will er wieder und wieder hören. Die Erzählungen scheinen mit uns zu wachsen. Die Worte sind zwar fertig, doch wir entdecken immer wieder Neues darin. Ich habe das Buch »Fight Club« nur einmal gelesen, aber den Film ich weiß nicht wie oft gesehen. Sätze wie »a generation of men raised by women« schockten mich natürlich sofort, doch ich begreife ihre wahre Tiefe und ihre Wurzeln in der Wahrheit erst allmählich über die Jahre.

Die klassischen Märchen, dieser so wichtige Beitrag Deutschlands zum Weltbewusstsein (ohne welche natürlich Disney nicht das uns bekannte Disney wäre), die mochte Leo eher nicht. Die waren ihm viel zu gruselig – und sie sind auch tatsächlich schrecklich, wenn man genau auf die Inhalte hört!

Ein bestimmtes Märchen aber ist für uns Erwachsene weit gruseliger als für die Kinder, denn wir verstehen und erleben seine metaphorische Bedeutung.

Ich erzähle dieses Märchen Ihnen und mir selbst in diesen Jahren und Tagen immer wieder (etwa 2018 und nochmal 20182020 und 2022). Es ist das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern – womit wir mitten in der aktuellen Tagespolitik wären!

Nicht nur mit ihrem Versagen

Ich habe hier öfter über Frau Faeser geschrieben, welche die Innenministerin im Kabinett von Kanzler Erinnerungslücke gibt, deren persönliches positives Verhältnis zum Rechtsstaat jedoch nicht unbedingt auf den ersten Blick zu erkennen ist. (Siehe dazu etwa den Essay »Wird sich Nancy Faeser ändern?« vom 2.4.2022.)

Frau Faeser ist ja nicht nur mit ihrem Versagen im Amt in den Schlagzeilen. (Ganz aktuell: Die illegale Einwanderung nach Deutschland stieg allein im August um 40 %, siehe welt.de, 6.9.2023; die Polizeigewerkschaft nennt ihre Politik »verantwortungslos« – und das ist noch ein sehr höfliches Wort. Ab welchem Punkt muss systematisches Versagen als Absicht betrachtet werden?)

Nancy Faeser, so lesen wir aktuell, ließ wohl das Umfeld des ihr missliebigen Top-Beamten Arne Schönbohm abhören (focus.de, 31.8.2023).

Der Bundesverfassungsschutz wirkt ja längst wie ein verlängerter Arm parteipolitischer Interessen der »Etablierten«. Doch wenn sich die jetzt publik gewordenen Recherchen bewahrheiten sollten, hat der Verfassungsschutz sich einspannen lassen, um die Vorwürfe des TV-Hassprofis Jan Böhmermann zu »bestätigen«.

Wenn es stimmt, was jetzt berichtet wird, hat die SPD-Innenministerin die Methoden von Diktaturen und Unrechtsstaaten angewandt, nämlich den Geheimdienst auf eine zu erledigende Zielperson und sogar deren Umfeld anzusetzen, bis man »etwas findet«.

Ihre eigenen Beamten fanden nichts Verwertbares, wie sie der Ministerin mitteilten. Faeser schien darüber wohl erbost – und stellte die Zielperson dennoch kalt. Ja, es muss gesagt werden: Stellen wir uns die politischen und medialen Reaktionen vor, wenn sich so etwas etwa in Russland oder Lateinamerika ereignet hätte.

Nicht allzu deutlich

Frau Faeser ist keine Verbrecherin. Um als Verbrecher zu gelten, muss man von einem Staatsanwalt angeklagt und von einem Richter verurteilt werden.

Die SPD-Genossin schadet »nur« Deutschland und den Deutschen massiv. Mit ihren Handlungen verhöhnt sie jeden Bürger, der wider den Augenschein noch immer tapfer an Demokratie und Rechtsstaat glaubt.

Deutschland massiv zu schaden, gegen den Amtseid zu verstoßen und das ohnehin stark beschädigte Vertrauen der Bürger in die Demokratie weiter zu ramponieren, ist ohne Anklage und Verurteilung kein Verbrechen. Wenn es »die Guten« tun, dann gilt sogar derjenige, der auf diesen Schmutz hinweist, als der eigentliche Böse.

Den verzweifelten Bürgern fallen etliche deutliche Ausdrücke für diese Verhältnisse und ihre Akteure ein, doch selbst wenn sie auszusprechen legal wäre, würde keiner davon wirklich präzise passen.

Dies ist der Punkt, an welchem wir wieder an das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern denken müssen: »Der Kaiser« ist ziemlich nackt, doch praktischerweise hat er ein Gesetz erlassen (§ 188 StGB), das es verbietet, des Kaisers Nacktheit allzu deutlich auszusprechen.

An echte Macht

»Der Präsident ist immer eine umstrittene Wahl, immer ein ärgerlicher, aber faszinierender Charakter«, so heißt es in den Anfangskapiteln des Anhalters. Die Aufgabe des Präsidenten »ist es nicht, Macht auszuüben, sondern die Aufmerksamkeit von ihr abzulenken.«

Ich sehe heute zwei logische Möglichkeiten, die Macht der Frau Faeser und einiger ihrer Genossen betreffend.

Gestalten wie Frau Faeser, so die erste denklogische Möglichkeit, haben die impliziten moralischen Anforderungen an ihr Amt umgangen und sind unter Ausnutzung des demokratischen Weges tatsächlich an echte Macht gelangt.

Gestalten wie Frau Faeser, so die zweite logische Möglichkeit, sind womöglich nur Marionetten oder Clowns in einem viel größeren Zirkus, und ihre Handlungen dienen vor allem der Ablenkung.

Ich weiß nicht, welche der beiden Möglichkeiten schlimmer wäre!

Vergessen wir auch nicht: Vom Skandal um den Böhmermann-Fan Faeser und ihren Einsatz des Geheimdienstes lesen wir aktuell – wie viele Ungeheuerlichkeiten passieren jeden Tag, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen?

SPD-Genossen haben ja oft genug belegt, dass ihr Moral- und Rechtsstaatsverständnis anders ist als Ihres und meines.

Und wer hat sie gestellt?

Das wohl bekannteste Motiv aus dem Anhalter ist die Zahl »42«.

Es ist die Antwort, die ein Computer nach 7,5 Millionen Jahren Rechenzeit vorlegt, nachdem ihm die »endgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest« gestellt wurde.

Die Antwort ergibt offensichtlich keinen Sinn.

Und dass die Antwort keinen Sinn ergibt, liegt daran, dass schon die Frage keinen Sinn ergab.

Ich frage mich heute: Wenn diese Politiker eine Antwort sind, was soll die Frage gewesen sein?

Und wer hat sie gestellt?

Politiker sind im Amt und genehmigen sich selbst ihre fürstlichen Diäten, um dafür Volk und Land zu nützen. Wenn deutsche Politiker aber mit Volk, Land und manchmal auch dem Rechtsstaat so wenig anfangen können, wer ist es dann (außer ihnen selbst, klar), dem sie nützen, von dem sie Schaden abwenden und dessen Wohl sie mehren?

Vor der Gefahr des Feuers

Wir betrachten die deutsche Politik, und es geht uns wie dem Charakter Slartibartfaß nach einem besonders spektakulären Start seines Raumschiffs: »Er starrte auf die Instrumente mit der Miene eines Menschen, der im Kopf versucht, Fahrenheit in Celsius umzurechnen, während sein Haus niederbrennt.« (Buch 3, Kapitel 4)

Ja, unser deutsches Haus brennt nieder. Doch die milliardenschwere Propaganda dröhnt über alle Kanäle, dass nicht die Flammen das Problem seien, sondern die Leute, die vor der Gefahr des Feuers warnen und es löschen wollen.

»Immerhin ist auch noch die schlechteste aller Demokratien«, so schrieb Ephraim Kishon einst, »viel mehr wert als die beste aller erfolgreichen Diktaturen.«

Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Demokratie und ein Rechtsstaat dazu. Deshalb wurde Frau Faeser zu einer Sondersitzung vorgeladen, um sich zu den Vorwürfen mit dem Geheimdienst als ihrer privaten Mobbing-Armee zu erklären.

Leider, leider, leider erkrankte Frau Faeser aber just zu dem Zeitpunkt akut an Corona (focus.de, 6.9.2023), was ihr Erscheinen und ihre Aussage verhinderte.

Interessanterweise beherrscht Frau Faeser aber die Kunst, ähnlich wie die Raumfahrenden im »Anhalter« durch parallele Realitäten zu reisen. Während also die eine Frau Faeser daheim an Corona leidend darniederlag, konnte eine offenbar weitgehend gesunde Nancy Faeser am selben Tag in Wiesbaden ein Interview geben.

(Die alternative Erklärung zum multidimensionalen Wunder wäre natürlich, dass Frau Faeser im SPD-Genossen-Stil die Demokratie verachtet und gar nicht erst versucht, einen redlichen Schein zu wahren. Vielleicht fühlte sie sich auch besonders schlau und rief heimlich: »Ultimo!«, wie Jossele in Kishons Satire »Jüdisches Poker«. Oder vielleicht ist ja doch noch ein Drittes gegeben – heute ist ja bald alles möglich.)

Allein dass eine Idee zynisch ist, macht sie noch nicht falsch. Auf eine zynische Weise sind wir womöglich auf dem Weg, wirklich frei zu sein, nämlich nach jenem Fight-Club-Slogan: Losing all hope is freedom – alle Hoffnung zu verlieren ist Freiheit.

Zwei Wörter

An einer frühen Stelle von Fight Club sagt der Erzähler: »It’s called a changeover. The movie goes on, and nobody in the audience has any idea.«

Ein »changeover« ist eine Szene im Film, an welcher die Story sich derart dramatisch dreht, dass das Publikum rätselt, wie es ab hier weitergehen kann.

Diese Jahre und Ereignisse sind wieder ein »changeover« für Deutschland.

Niemand von uns versteht genau, was wirklich passiert. Wie geht es im Land weiter, wenn sich die Politik an keine Regeln mehr zu halten scheint?

Wir, das »Publikum«, sind verwirrt – kollektiv und jeder für sich. Verwirrt und ratlos.

Und deshalb: Höre nicht darauf, wenn dir irgendwer Ratlosigkeit einreden will – erarbeite dir deine Ratlosigkeit selbst!

Und doch: Bei aller Ratlosigkeit, bei aller Wut und dem gelegentlich aufflackernden Kampfesmut, kommt jeder Tag nur einmal.

Es gilt also, gerade weil so viel unscharf und unsicher erscheint, jeden Tag seiner Stunden wert werden zu lassen.

Wir haben ein altneues Mantra, und wir murmeln es mit aller mentalen Kraft, um so noch mehr dieser Kraft zu sammeln, um schnell (wieder) vom Bewältigen zum Handeln zu gelangen.

Es sind die zwei wichtigsten und wohl auch berühmtesten Worte der gesamten fünfteiligen Anhalter-Trilogie, nämlich …

»Keine Panik.«

Weiterschreiben, Wegner!

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