17.08.2021

Die Mächtigen sind nicht klüger, nur mächtiger

von Dushan Wegner, Lesezeit 9 Minuten, Foto von Giuseppe Martini (Bearbeitung: DW)
In Afghanistan übernehmen die Taliban die Macht. Joe Biden irrt derweil verloren durch die Büsche am Weißen Haus, und Merkel lungert im Kino herum. »Die da oben« sind nicht klüger, weiser oder gar ethischer, sie sind »nur« mächtiger – und das macht sie richtig gefährlich.
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Nicolae Ceaușescu war ein Antifaschist, so wie sich viele heute noch Antifaschisten nennen. Ceaușescu war ein neostalinistischer Diktator über Rumänien, so wie nicht wenige, die sich heute Antifaschisten nennen, wohl nicht-nur-heimlich gern neostalinistische Diktatoren wären.

Ceaușescu brauchte immerzu Applaus, so wie heute jene, die sich Antifaschisten nennen, immerzu nach Applaus heischen, die für sich Demonstrationen aufmarschieren lassen und einander Blechorden an die Brust heften.

Ceaușescu war grausam, ganz wie jene, die sich heute Antifaschisten nennen, heute zu jedem Anlass – und nicht selten ganz ohne Anlass – der Welt unmissverständlich versprechen, wie grausam sie mit ihren politischen Gegnern gern verfahren würden. Die Undemokraten und Menschenfeinde, die sich heute Antifaschisten nennen, haben ja längst ihre eigenen grausamen, oft drogenvernebelten Schlägertruppen, die »Antifa« (siehe auch: »Merkels nützliche Idioten« (2018)).

Ceaușescu war vor allem jedoch – ebenso wie seine Frau – zur gleichen Zeit machtbegabt und schrecklich dumm. Und wie so mancher Dumme, der an die Macht kam, hatte Ceaușescu wohl auch im richtigen Moment blankes Glück. Am 4. November 1957 stürzte das Flugzeug ab, in welchem Ceaușescu nach Moskau unterwegs war. An Bord des Flugzeugs befand sich auch der damalige rumänische Außenminister Grigore Preoteasa, ein politischer Konkurrent Ceaușescus. Der Intellektuelle Preoteasa wollte sich im Flug nicht anschnallen, und er stand, als das Flugzeug die Landebahn verfehlte. Ceaușescu überlebte. Preoteasas letzte Worte aber waren, als das Flugzeug schlingerte: »Dies war so nicht geplant.«

Formal hatte Ceaușescu ein Fernstudium der Wirtschaft abgeschlossen, doch seine Abschlussarbeit war wahrscheinlich von einem unbekannten Mitarbeiter geschrieben worden – auch darin ähnelt er vielleicht manchem, der heute wieder gern sozialistischer Diktator wäre. (Nein, auch wenn einige dieser Leute ziemlich dämlich wirken, wäre es nicht fair, die Abschlussarbeiten und sonstigen Schriften von Ceaușescu und gewissen heutigen Möchtegernsozialisten zu vergleichen. Erstens existierte immerhin die Abschlussarbeit von Ceaușescu – bei heutigen Möchtegernsozialisten ist sie schon mal leider, leider nicht auffindbar – und zweitens wurde Ceaușescus Ghostwriter nie vorgeworfen, aus damaligen Lexika und Zeitungen plagiiert zu haben.

Die Bildungsferne des rumänischen Diktator hinderte diverse Universitäten nicht, ihm Ehrendoktortitel zu verleihen. Wie gut, dass heutige umstrittene Politiker nicht um die Welt tingeln, um sich von ach-so-wichtigen Universitäten mit wertlosen Ehrentiteln behängen zu lassen. – In einem aber gleichen sich die Sozialisten aller Zeiten immer wieder: Diese Typen sind auffallend blöd und doch zuweilen geradezu dämonisch-genial machtbegabt.

Extra schmale Bahnsteige

Zu den Kuriositäten und wohl auch »Andenken« aus der Ceaușescu-Zeit gehört die Haltestelle Piața Romană der Bukarester Metro.

Der Legende nach war Ceaușescus bildungsferne Frau, Genossin Elena, strikt dagegen, dort in der Nähe der Universität eine U-Bahn-Station zu bauen. Angeblich würden die Studenten ihrer Zeit ohnehin verfetten und »einen Bauch kriegen«, also sollten sie mehr zu Fuß gehen.

Die Ingenieure bereiteten heimlich dennoch dort eine U-Bahn-Station vor, so gut man eben heimlich eine U-Bahn-Station bauen kann.

1987 dann, zwei Jahre vor der Hinrichtung des Diktatorenpaares (die beiden Sozialisten wurden verurteilt wegen Mordes an 60.000 Menschen), wurde die Station Piața Romană schließlich doch eröffnet.

Das typische Merkmal der Station Piața Romană sind, bis heute, die gefährlich schmalen Bahnsteige (siehe Wikipedia-Foto) – breitere konnte man schlicht nicht bauen, da man den Bau ja als Teil des Tunnels getarnt hatte.

Über den Rasen

Wir lesen in diesen Tagen, wie die Merkelregierung in Afghanistan versagt. Hier geht es nicht »nur« um ein paar unsinnig abgeschaltete Kraftwerke oder noch eine kontraproduktive Steuer oder eine weitere Propagandamilliarde gegen Abweichler – es geht um das Leben von Menschen, die unglücklich genug sind, dem von der Merkelbande regierten Deutschland zu vertrauen.

Die Bundeswehr blamiert sich, wieder einmal, und kann nur sieben Leute aus Kabul evakuieren (bild.de, 17.8.20212). Das eigene Versagen ist der Bundeswehr offenbar so peinlich, dass sie den Sieben streng verboten, Fotos aus dem Flugzeug zu machen (@ronzheimer, 17.8.2021). Die eigenen Leute stecken in Afghanistan fest – während die Taliban die eigene Macht festzurren. Der US-Luftwaffe gelang es derweil, etwa 640 Menschen mit nur einem einzigen Flugzeug zu evakuieren (rnd.de, 17.8.2021). Aber gut, die C-17 der Amerikaner ist auf 134 Passagiere zugelassen, der Airbus A400M nur auf 114 (welt.de, 17.8.2021).

Und was tut Merkel derweil?

Merkel besucht so fröhlich wie blöde grinsend ein Filmfestival (bild.de, 17.8.2021), guckt einen Film im Kino und lässt sich feiern.

Wir müssen uns heute fragen, ob der mächtigste Mann wie auch die mächtigste Frau der Welt schlicht einen an der Klatsche haben?

Die Antwort ist: Nein, tun sie nicht. Mindestens aus einem Grund: Es stimmt zwar, dass Biden verirrt und verloren über den Rasen des Weißen Hauses schlurft und die Tür nicht findet (@thehill, 10.8.2021), aber wer würde ihn noch für den mächtigsten Mann der Welt halten?

Beides ließe sich begründen

»Es gibt kein Recht auf Dummheit«, so habe ich 2016 über die Grünen geschrieben, und so steht es auf meinem T-Shirt.

Man könnte fragen: Warum nicht?

»Es gibt kein Recht« ist eine ethische Aussage. Ich erkläre den »ethischen Druck« solcher Regeln, die Normativität, heute als eine verklausulierte Vorhersage: »Du darfst das (moralisch) nicht«, oder einfach »das ist böse«, sind ein kompakter Code für: »Wenn du das tust, wird es Strukturen beschädigen, die du später und zuletzt (oder jetzt bei tieferer Introspektion) als sehr relevant empfinden wirst, was dazu führen wird, dass du diese Handlung bereuen wirst.« – Entsprechend für »das ist gut«: »Das zu tun stärkt Strukturen, die du später und zuletzt (oder schon jetzt bei tieferer Introspektion) als relevant empfinden wirst, was dazu führen wird, dass du über diese Handlung froh sein wirst.«

Das moralische »Recht« in »Es gibt kein Recht auf Dummheit« lässt sich also begründen mit den absehbaren bösen Folgen der Dummheit.

»Sind die dumm oder böse? Macht es überhaupt einen Unterschied?«, so fragte ich im Essay vom 23.5.2018, und kam bereits im Intro zu diesem Schluss: »Dummheit und Bosheit sind von außen nicht zu unterscheiden; sie haben die gleichen Folgen und wir sollten sie gleich bewerten.«

Ist die Merkelbande böse oder dumm? Ich meine, dass sich beides begründen ließe. Teils wissen diese Gestalten, dass sie Menschen schaden, und es könnte ihnen nicht egaler sein – teils wirkt deren Handeln tatsächlich einfach nur blöde.

In hohem Grade

Ob Ceaușescu oder manch anderer Politiker, der sich gern feiern lässt, während die Menschen an den Folgen der politischen Taten leiden und sterben, oft haben diese Figuren gemeinsam, dass sie auffällig blöd sind – teils wie stammelnde Kinder reden – aber zugleich in hohem Grade machtbegabt. (Ich nannte die Grünen 2019 »eine Partei wie ein Affe mit Maschinengewehr«.)

Wenn der Politiker »etabliert« genug ist, dann ist ja selbst die Machtbegabung nicht mehr notwendig, denn eine Zeit lang hängen an der politischen Figur so viele weitere Karrieren, dass gelegentlich ein gänzlich untauglicher Politiker jahrelang an der Macht gehalten und von der Realität abgeschirmt wird, weil mit seinem Abtritt auch die Karrieren seiner Helfer beendet wären. (Würde ein Merkel-Sprecher seinen Job drangeben, wenn er erkennt, dass seine Chefin geistig nicht mehr wirklich in der First Class geistiger Möglichkeit mitfliegt? Nein, er würde es über Jahre hinziehen – vielleicht vermutlich so lange, bis für ihn ein Staatsfunk-Chefposten frei ist.)

Es ist theoretisch denkbar, dass Merkel oder Biden beide nicht mehr viel von der Realität mitbekommen – geschweige denn kompetent über diese entscheiden können – aber von einem Stab an Helfern an der Macht gehalten werden und ihre Reden geschrieben bekommen, schlicht weil die Karriere und Existenz der Helfer von der Person abhängt, wieviel Schaden diese auch übers Land bringt.

Ja, es ist echt

Wir kennen im Deutschen den schönen Ausdruck von der normativen Kraft des Faktischen. Was ist, ist dadurch, dass es ist, schon neue Norm – und das so zu empfinden, ist wohl menschliche Natur.

Wir könnten davon inspiriert formulieren: Es gibt auch eine charismatische Kraft des Mächtigen. – Wir Menschen schreiben gelegentlich Personen die besondere Befähigung oder sogar Bestimmung zur Macht zu, bloß weil diese bereits die Macht innehaben. (Ähnlich will man uns davon überzeugen, diese wechselnden Mädels aus reichem Hause hätten irgendeine Autorität in Klimafragen, schlicht weil sie uns als Autoritäten präsentiert werden.)

Eine gute Nachricht aber habe ich doch! Wenn Sie meinen, dass das Handeln der deutschen Regierung und des deutschen Peinlichministers nicht mehr zu toppen wäre, darf ich Ihnen heute darin zumindest widersprechen. Das Außenministerium (»State Department«) des umherirrenden Grabschers Biden hat sich nun auch zur Machtübernahme der Taliban geäußert, in Abstimmung mit der tollen UN, und ich transkribiere einfach mal – und ja, es ist echt, und ja, Sie dürfen lachen:

Additionally, the UN Security Council issued a press statement earlier today, calling for a new government that is united, inclusive and representative, including with the full and – full and meaningful participation of women. (@townhall, 16.8.2021)

Zu Deutsch etwa:

Zusätzlich: Das UN Security Council hat früher heute eine Pressemeldung herausgegeben, welche nach einer neuen Regierung ruft, die geeinigt, inklusiv und repräsentativ ist mit der vollen [er verhaspelt sich, setzt neu an] der vollen und bedeutsamen Beteiligung von Frauen. (meine Übertragung aus dem Englischen, nach @townhall, 16.8.2021)

Ich kann gut verstehen, dass der arme Sprecher Ned Price sich verhaspelt. Er hört ja selbst, was für einen Unsinn er da aufsagt. Es wirkt wie eine Satire-Sendung, aus Zeiten, als Satire noch die Propaganda veralberte und nicht selbst Propaganda war.

Affe oder Papagei

Zur Kompetenz als Bürger in der heutigen, ja, medialen Weltgesellschaft gehört es, sich selbst endgültig und gründlich vom letzten Rest der Illusion zu befreien, die Mächtigen seien klüger als der durschnittliche Trottel auf der Straße – dass sie nicht ethischer sind, das ahnen wir ja bereits.

»Marx und Lenin lehrten uns«, so wird Ceaușescu zitiert, »dass alles ethisch ist, so lange es im Interesse der proletarischen Klasse und seiner Weltrevolution ist.« – Irgendwann fiel eben die Begründung »so lange es…« weg, so sie je ernst gemeint war, und es blieb »dass alles ethisch ist.«

Die Mächtigen sind durch besondere Umstände an die Macht gekommen – nicht wenige hatten einfach nur mehr Sitzfleisch als Sie oder ich jemals aufbringen wollen würden – das macht sie aber nicht klüger, nicht weiser, und gewiss nicht zu besseren Menschen. (Was bitteschön sollen ein Peter Altmeier, ein Karl Lauterbach oder eine Angela Merkel uns über die Kunst des glücklichen Lebens lehren? Ja, man kann reich und mächtig sein, und doch die Aura einer unglücklichen, gescheiterten Existenz um sich tragen.)

»Er sagt nichts als Lügen«, so wird Ceaușescus Vater Andruţa über seinen Sohn zitiert, und der Vater sollte es doch wissen. Ich las auch, dass Ceaușescu laut Leuten, die ihn kannten, keine Motive für seine Taten hatte – ach, diese naive Hoffnung der Anständigen, die Dummheit, die Machtgier, die Selbstsucht oder die blanke Bosheit bräuchten andere Motive, einen anderen Antrieb als eben sie selbst!

Nein, die-da-oben sind nicht klüger als wir, nicht weiser und gewiss nicht »moralischer« – sie sind »nur« mächtiger. Der Sultan muss nicht klüger sein als alle anderen Menschen, nicht weiser und nicht moralischer; er muss nur alle Herausforderer zu verhindern wissen, die Sultan an Stelle des Sultans sein wollen. Merkel ist nicht deshalb Kanzlerin, weil sie gut für Deutschland wäre – wahrlich nicht! – sie ist Kanzlerin, weil sie alle potentiellen und realen Gegner zu entmachten wusste, beginnend mit Helmut Kohl.

Die-da-oben sind die Elefanten, die betrunken durch den Urwald stapfen. Wir sind mehr so die Affen, vielleicht auch die Papageien, und mancher fühlt sich sogar als Maus, alle hier unten aber eint, dass wir den reichlich dummen Elefanten aus dem Weg gehen wollen.

Wenn der Elefant dumm ist, aber stark, dann ist die beste Chance der Maus, selbst klüger als der Elefant zu sein.

Weiterschreiben, Wegner!

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