Dushan-Wegner

30.03.2024

Dein deutsches Ostern

von Dushan Wegner, Lesezeit 9 Minuten, Bild: »Hallo, Sonne!«
In den USA und in China werden Supercomputer für Künstliche Intelligenz gebaut – in Deutschland fährt man derweil Lastenfahrrad. Deutschland stirbt (ökonomisch). Weil aber Ostern ist: Wie haltet ihr es mit der Wiederauferstehung?
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Wir sollten dringend vom Sterben (Deutschlands als ökonomische Weltmacht) reden. Über das Aufkommen neuer Supermächte (es sind nicht Nationen, aber eine bestimmte Technologie in bestimmten Nationen). Und (wahrlich nicht nur) weil Ostern ist, während ich dies schreibe, sollten wir über Ostern reden – beginnend mit einem Geständnis.

Freunde, ich gestehe! Ich gestehe, dass ich zum Thema Ostern über die Jahre immer wieder einen bestimmten zynischen Kommentar abgegeben habe: Es ist einfach(er), sich ans Kreuz schlagen zu lassen, wenn man weiß, dass man eben auch Gott ist und also nach einem langen Wochenende wiederauferstehen wird.

Ich lese die Bibel als ein begeisterter »christlicher Atheist«. Ich bin davon überzeugt, dass die Bibel kodierte Weisheit, erfolgreiche Lebenserfahrung und jahrtausendealtes Wissen um die großen Zusammenhänge der Welt enthält.

Was also kann ich heute als buchstäblich »Normalsterblicher« aus der Ostergeschichte lernen? Nun, teilen wir sie in davor und danach. Wie es dazu kam, was später passierte – und was sich aus all dem lernen lässt.

Denn er lehrte sie mit Vollmacht

Warum kreuzigten sie Jesus überhaupt? Sicher, man könnte hier manche politische und auch prophetische Erklärung anbringen (»damit die Schrift erfüllt würde«), und sie wäre nicht falsch.

Doch ich wähle als den »philosophischen«, also »wahren« Grund, was in Matthäus 7, 28–29 beschrieben ist: »Und es begab sich, als Jesus diese Rede vollendet hatte, dass sich das Volk entsetzte über seine Lehre; denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten.«

Wie ich im Buch »Talking Points« vorlege, hat Jesus rhetorische Methoden eingesetzt, die man heute als »populistisch« bewerten würde – zumindest wenn der erfolgreiche politische Konkurrent sie anwendet. Und Jesus war offenbar ein politisch ernstzunehmender Konkurrent. Formal hält sich Jesus ja aus der Politik heraus (Markus 12, 27: »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist …«).

Doch Jesus griff die geistigen und geistlichen Autoritäten jener Zeit an, namentlich die »Pharisäer«. Er beschimpfte die Pharisäer ob ihrer verlogenen Heuchelei als »Schlangen« und »Otterngezücht« (Matthäus 23,33). (Aus jenem Kontext rührt es übrigens her, dass »Pharisäer« de facto ein Synonym zu »Gutmensch« und »Heuchler« ist.)

Damals wie heute aber übten sich die »moralischen Autoritäten« in politischer Macht. Wie Bischöfe und andere geistliche Funktionäre heute, so mischten die Pharisäer damals in der Politik mit, und so wurde Jesu moralischer und theologischer Angriff auf sie zu einem politischen Angriff.

Es entstand der Wille, diesen Störenfried Jesus zu beseitigen, mit Hilfe der römischen Exekutive. Da Jesus aber offenbar kein iPhone besaß – zumindest keines auf seinen Namen –, konnte er nicht mit einer simplen Abfrage der Standortdaten geortet werden. Und auch mit den biometrischen Daten haperte es damals.

Es brauchte einen Judas, der Jesus an die Autorität verraten würde. Es fand sich dann auch ein Judas, der zufälligerweise genauso hieß, nämlich »Judas Iskariot«. 

Die Hinrichtung Jesu war eine nach damaligem Recht rechtsstaatlich weitgehend korrekte Beseitigung eines politischen Störfaktors. Heute hätte man Jesus erst vom Verfassungsschutz beobachten lassen und ihn dann als Rassisten (Matthäus 15,26), Reichsbürger (Johannes 18,36) und potenziellen Terroristen (Matthäus 10,34) ins Gefängnis geworfen.

Dort und damals war man etwas robuster und auch ehrlicher in der Behandlung politischer Abweichler. Heute »cancelt« man sie nur, treibt sie in den wirtschaftlichen Ruin und bisweilen in die Selbsttötung. (Ich erspare mir dazu den Link. Wer weiß, der weiß, und wer nicht weiß, der will vermutlich auch nicht wissen.)

Aus dieser Hinführung zu den Osterereignissen können auch »christliche Atheisten« viel lernen. Die Parallelen zwischen der damaligen und der heutigen Zeit werden klar und kantig offenbar, und diese Parallelität legt nahe, dass all dem tief in der menschlichen Natur sitzende Mechanismen zugrunde liegen.

Die Wiederauferstehung

Es sollte sich herumgesprochen haben, was nach dem Verrat Jesu durch Judas passierte. Jesus kam vor Pilatus, er wurde verurteilt und gegeißelt (beschrieben etwa bei Johannes 19). Er wurde gekreuzigt, er starb und sein Leichnam wurde in das Grab des Josef aus Arimathäa gelegt (Markus 15,42-26).

»Und als der Sabbat vergangen war«, so heißt es in Markus 16, kauften »Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle«, um Jesu Leichnam in der Grabkammer aufzusuchen und ihn zu salben (sie grübelten bloß, welcher starke Mann den schweren Stein vor der Grabkammer für sie wegrollen würde).

Doch was gemäß der uns vorliegenden Berichte danach geschah, hatte einen nicht zu ignorierenden Einfluss auf den weiteren Verlauf der Menschheitsgeschichte.

Der schwere Stein war weggewälzt worden, das Grab war offen – und leer. Jesus war von den Toten auferstanden und schon mal nach Galiläa gegangen. Die jungen Damen mit den teuren Ölen »flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen«.

An dieser Stelle aber, liebe Leser, will ich offen bleiben – auf die Gefahr hin, es mir mit einem Teil von Ihnen eine Zeit lang zu verscherzen.

Ich weiß, dass der Glaube an die sehr reale Auferstehung Jesu die Mitte des christlichen Glaubens ist, dass Ostern der Christen höchstes Fest ist, nicht Weihnachten. Ich weiß, dass manche Christen einander zu Ostern mit: »Christus ist auferstanden!« begrüßen, worauf die Antwort lautet: »Er ist wahrhaftig auferstanden!« (Übersetzungen der Orthodoxen Kirchen sind bei Wikipedia gelistet.)

Ich kann und will nicht aus meiner Haut, und mit »Haut« meine ich hier das wackelige Gerüst, das ich meinen Verstand nenne. Ich bin ziemlich sicher, dass der Geist (die »Seele«) eines Menschen eine Funktion des Gehirns ist.

Wenn das Gehirn vergiftet ist, etwa durch Alkohol, funktioniert der Geist sehr anders.

Wenn das Gehirn beschädigt wurde, wieder anders. Und wenn das Gehirn gar nicht mehr funktioniert, existiert kein Geist mehr. Insofern verstehe ich schlicht nicht, was der Begriff »Wiederauferstehung« außerhalb von »Belebung eines Scheintoten« unmetaphorisch bedeuten soll.

Aber als Metapher, als strukturelles Sinnbild für bestimmte andere Vorgänge verstehe ich »Wiederauferstehung« sehr gut. (Die Hymne der DDR 2.0 beginnt sarkastisch mit dem Begriff »Einigkeit«; doch vergessen wir nicht, dass die Hymne der ersten sozialistischen und damit atheistischen DDR 1.0 mit dem Wort »Auferstanden« begann.)

Dann schnell

Ich kann nicht (und will auch nicht) aus meiner Haut heraus, aus meinem privaten Verstandesverhau als politischer Essayist. Und so wechsle ich an dieser Stelle zu Gesellschaft, Politik und anderem Wahnsinn.

Es gibt eine Kategorie von Ereignissen, die »erst langsam, dann schnell« geschehen. Gewisse Erkrankungen verlaufen so, ebenso das Zerbrechen von Ehen und das Abrutschen von Berghängen.

Auch der Untergang von Weltreichen (und solchen, die sich dafür halten, und sei es als »moralische Weltmacht«) geschieht vermutlich ähnlich: erst langsam, und dann schnell.

Seit einiger Zeit dokumentiere ich eine übergreifende Entwicklung in Deutschland. Ob im Essay vom 8.10.2019, vom 12.11.2019, vom 15.5.2020, vom 3.5.2021 oder auch vom 26.1.2024: In Deutschland wird seit Jahren im Wochenrhythmus gemeldet, welche Firmen zu Tausenden ihre Arbeitnehmer entlassen und Produktionsorte schließen oder ins weniger suizidale Ausland verlagern. (Lasst euch nicht vom DAX täuschen: Ein im Ausland produzierender »deutscher« Konzern schafft noch immer Börsenwert an der »deutschen« Börse, nur eben keine deutschen Arbeitsplätze.)

Nie von dieser Uni gehört

Ganz aktuell lesen wir: »Alle Institute schlagen jetzt Alarm: Unsere Wirtschaft vor dem Absturz!« (bild.de, 27.3.2024)

Deutschlands Verhalten ist nicht mehr wirklich kritikwürdig – es ist global betrachtet mehr so ein absurder und grausamer Scherz. Während Deutschland aus dem zuverlässigen Kohlestrom aussteigt (tagesschau.de, 28.3.2024) und aus dem zuverlässigen und klimaschonenden Atomstrom ausgestiegen ist, werden in den USA neue Atomkraftwerke eigens für den Betrieb von KI-Rechenzentren gebaut (nbcnews.com, 7.3.2024).

Deutschland gibt bekanntlich sein Geld für Radwege in Peru aus, für Waffen für die Ukraine und natürlich für die Versorgung der eingewanderten männlichen Bevölkerung Nordafrikas. In anderen Nationen fliegt man zum Mond, in Deutschland holen die schlauesten und innovativsen jungen Köpfe den Kaffee mit dem Lastenfahrrad (rbb24.de, 28.3.2024).

In den USA haben derweil Microsoft und OpenAI den Bau eines neuen Rechenzentrums für Künstliche Intelligenz (KI) angekündigt – Codename ist »Stargate« und die Investitionshöhe soll 100 Milliarden US-Dollar betragen (reuters.com, 29.3.2024). Nicht 100 Millionen – hundert Milliarden. Das entspricht aktuell etwa 93 Milliarden Euro, und das ist nur eines der Rechenzentren, die weltweit für KI gebaut werden.

Zum Vergleich: Der deutsche Bundeshaushalt 2024 umfasst 445,7 Milliarden Euro, so bundesfinanzministerium.de.

China nimmt alle paar Monate neue Supercomputer in Betrieb, ohne viel PR. Diesen Februar etwa »Tianhe-3 – ›Xingyi‹« an der Chinesischen Nationalen Universität für Verteidigungstechnologie (und ich bin fastt sicher, dass sie bis eben weder von diesem Supercomputer noch von dieser Uni gehört haben; mehr Info: techradar.com, 17.2.2024).

Jetzt mit Reflexion

Ihr mögt nun fragen, liebe Leser, was die Ostergeschichte mit dem wirtschaftlichen (und parallel: gesellschaftlichen) Niedergang Deutschlands und dem globalen KI-Wettrüsten zu tun hat.

Ich schulde und gebe euch gern die Antwort: Es ist wirtschaftlich und dann auch politisch für Deutschland vorbei. Auch wenn man Deutschland noch ein oder zwei Jahrzehnte durchwürgt – geschichtlich betrachtet sind das kaum Sekunden.

Neuere KI-Modelle wie »Claude« scheinen – wenn man sie »philosophisch« von außen betrachtet – in der Lage zu sein, ihren eigenen Output zu reflektieren und noch während der Ausgabe zu optimieren. Wer sich je mit Theorien zum menschlichen Geist beschäftigt hat, dem bilden sich dabei Gefrierkristalle im Blut. (Es ist eher eine Fußnote, dass Amazon eben die Investition von 4 Milliarden Euro in die Firma hinter »Claude« bekanntgab; siehe aboutamazon.com, 27.3.2024.)

Freunde, die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland als global relevanter Technik- und Wirtschaftsmotor ist vorüber, und wir sterben nicht mit einem Knall, sondern mit Gewimmer.

Die neuen Spinnmaschinen

Wenn du deine Träume und Hoffnungen allein auf Deutschland gesetzt hast, werden diese mit Deutschland sterben.

Und also schlage ich heute nichts weniger vor, als dass jeder von uns seine baldige »Wiederauferstehung« plant. (Und seien wir stets realistisch: Wenn du so weit auf deiner Lebensskala fortgeschritten bist, dass du eher dein persönliches Finale planst, dann hilf anderen Menschen und damit doch uns allen bei der »Wiederauferstehung«.)

Wenn du (wie ich) für Kinder verantwortlich bist, dann setze deine Energie dafür ein, dass deine Kinder einen Platz finden in einer Welt, in welcher Künstliche Intelligenz für viele Berufe das ist, was die automatischen Spinnmaschinen waren. Auch die Übernahme menschlicher Arbeit – inklusive weiter Teile der Denkarbeit – wird zu jenen Vorgängen gehören, die erst langsam passieren, und dann schnell. (Wirklich »schnell« wird es werden, wenn es KI ist, die autonom und kreativ die nächsten Generationen von KI entwickelt. Womöglich sind wir bereits so weit, aber die Firmen, welche diese monströsen Rechenzentren bauen, halten sich vorläufig bedeckt.)

Wer seine Kinder nicht auf die KI-Welt vorbereitet, der webt ihnen ihr ökonomisches Leichentuch. (Siehe dazu auch meinen Essay »Künstliche Intelligenz wird mich nicht arbeitslos machen – und dich?« vom 1.4.2023. Und zur gruseligen Gutenachtgeschichte auch etwas zu Rokos Basilisk.)

Deutschland stirbt (wirtschaftlich). Das ist nicht wirklich ungewöhnlich, historisch betrachtet. Das passiert eben mit Nationen, die sich für klüger hielten, als sie waren.

Deutschland stirbt, und zu sterben ist menschlich – Wiederauferstehung aber ist göttlich.

In einer neuen Welt

»Lohnt es sich noch, zu kämpfen?«, so fragt sich heute mancher. Soll man kämpfen für das Überleben eines Systems, das gar nicht mehr leben zu wollen scheint? Kann man (sinnvoll) kämpfen für das eigene Überleben in einem suizidalen, anti-klugen System?

Kämpfe für deine »Wiederauferstehung«! Die Welt, die wir kannten, zerfällt vor unseren Augen. Eine neue Welt entsteht, mit mächtigeren Werkzeugen, als wir uns je vorzustellen trauten.

Sucht eure eigene »Wiederauferstehung«, in der diesseitigen und doch kommenden Welt. Und wenn ihr Kinder, Familie oder auch ein Unternehmen habt, dann arbeitet an eurer Rolle in einer neuen, sehr anderen Welt. Findet, was nach eurer besten Einsicht »das Richtige zu tun« ist – und dann tut es!

Sobald aber eure Einsicht bestmöglich und euer Entschluss gefasst ist, dann bedenkt, dann hört auf Jesus, wenn er (etwa in Matthäus 10) wieder und wieder mahnt: Fürchtet euch nicht!

Weiterschreiben, Wegner!

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